Wenn bei einem Schutzlack einmal etwas richtig schiefgeht…

Phil Kinner erörtert einige der verbreiteteren und häufig sehr frustrierenden Probleme, die beim Lackieren elektronischer Leiterplatten und Komponenten auftreten können, und stellt einige praktische Lösungen vor.
PCB

Wie wir alle wissen, ist im Leben nichts ganz einfach. Sofern in einer beliebigen technischen Disziplin auch nur die geringste Chance besteht, dass etwas schiefgehen könnte, können Sie darauf wetten, dass es auch schiefgehen wird. Deshalb sollten Sie darauf vorbereitet sein. In diesem Beitrag beschränke ich mich auf die Verwendung von Schutzlacken für elektronische Bauteile und zeige einige der möglichen Fallstricke im Zusammenhang mit der Auswahl des Lacks und dem Applikationsverfahren auf. Für jeden Fall schlage ich einen Ansatz vor, der zur Behebung der meisten wahrscheinlich auftretenden Probleme beitragen sollte.

Problem: Die Qualität und Leistung eines Schutzlackmaterials kann abhängig vom Applikationsverfahren beeinträchtigt werden.

Dies ist häufig der Fall, wenn ein Produkt von einem Leiterplattenhersteller zum anderen transferiert wird. Beispielsweise kann ein Produkt in einem Land im Tauchverfahren beschichtet, in einem anderen Land jedoch selektiv beschichtet werden, wobei die Spezifikation erfordert, dass an beiden Standorten dasselbe Material zum Einsatz kommt. Hierbei tritt jedoch das Problem auf, dass ein für die Tauchbeschichtung konzipiertes Material in Systemen für selektive Beschichtung zu schlechten Ergebnissen aufgrund schneller Trocknung und Blaseneinschluss führt.

Einer meiner Kunden verbrachte sechs Monate mit dem Versuch, das Blasenproblem intern zu lösen, wobei er nicht erkannte, dass die Grundursache des Problems in der Rezeptur des Materials lag. Aus der Zusammenarbeit mit dem Kunden wurde ersichtlich, dass das Problem des Blaseneinschlusses durch Änderung des Lösemittelgemischs einfach gelöst werden konnte. Darüber hinaus wurde durch diese Lösung der Prozess vereinfacht und die Taktzeit verringert. Da die nicht flüchtige Rezeptur unverändert blieb, war keine erneute Qualifizierung erforderlich.

Problem: falsche Dicke der Lackschicht, insbesondere bei Acryl-Werkstoffen.

Gemäß IPC-Spezifikation ist ein Trockenfilm in einer Dicke von 30 bis 130 Mikrometern zulässig, wobei die größere Dicke durch Auftragung mehrerer Lackschichten erreicht wird. Der Versuch, einen Trockenfilm mit einer Dicke von 130 Mikrometern in nur einem selektiven Beschichtungsvorgang mit einem lösemittelhaltigen Acryl-Material zu erreichen, muss nahezu zwangsläufig fehlschlagen und führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur übermäßiger Blasenbildung, Schrumpfung des Films, Ablösung des Lacks und zusätzlicher Belastung der Bauteile. Das Ergebnis ist ein schlechterer Schutz anstatt ein insgesamt höheres Niveau des Leiterplattenschutzes. Ein deutlich besserer Ansatz zur Verbesserung des Schutzes elektronischer Schaltkreise besteht darin, eine gleichmäßige Stärke von 30-50 Mikrometern anzustreben und sich auf die Erreichung perfekter Abdeckung bei jeder Anwendung zu konzentrieren.

Es ist wichtig, die richtige Dicke der Lackschicht zu erreichen. Bedenken Sie, dass eine zu dicke Lackschicht zum Einschluss von Lösemitteln in Bereichen führen kann, in denen der Lack nicht vollständig aushärtet. In ähnlicher Weise kann dies zur Bildung von Rissen im Lack während des Aushärtens, aufgrund von Temperaturänderungen oder aufgrund mechanischer Stöße und Schwingungen führen.

Problem: Flüssige Schutzlacke sind starken Kapillarkräften von Bauteilen mit geringen Spalthöhen ausgesetzt, darunter passive Bauteile sowie BGA-, QFP- und QFN-Strukturen.

Wird ein Schutzlack zu dick oder mit zu geringer Viskosität aufgetragen, kann das Material unter die Bauteile „gesaugt“ werden, was eine ungleichmäßige Fluoreszenz (manche Lacke enthalten einen fluoreszierenden Farbstoff, der eine Überprüfung der Leiterplatte unter „Schwarzlicht“ im Anschluss an das Beschichten ermöglicht, um eine vollständige und gleichmäßige Abdeckung sicherzustellen) sowie mögliche Probleme mit der Zuverlässigkeit der Struktur zur Folge hat. Dieselben Phänomene treten auf, wenn das Material zu lange braucht, um zu trocknen.

Bei manchen lösemittelhaltigen Schutzlacken gestaltet sich die Überprüfung mittels Fluoreszenz schwierig, wenn die Lackschicht nur 20 Mikrometer oder weniger dick ist. Man könnte versucht sein, ein größere Menge des Materials aufzutragen; dies kann jedoch das Problem mit der Zuverlässigkeit der Bauteile aufgrund von Diskrepanzen beim Wärmeausdehnungskoeffizienten in Z-Richtung verstärken. Eine Erhöhung der Viskosität sowie der Beschleunigung des Aufbaus der Viskosität durch das Material kann zur Verbesserung der Gleichmäßigkeit beitragen.

Alternativ kann eine dünne Grundierungsschicht aufgetragen werden, auch wenn dies die Wiederholung von Handhabungsschritten oder einen zusätzlichen Prozess erfordert. Dies verbessert die Fähigkeit des Lacks zur Abdeckung scharfer vertikaler Kanten von Bauteilen und verringert die Wahrscheinlichkeit von Blaseneinschluss und Auswirkung von Kapillarkräften bei der Auftragung der Hauptlackschicht.

Problem: die Umgebungstemperatur und ihre Auswirkung auf die Viskosität flüssiger Schutzlacke

In manchen Fabriken treten Temperaturunterschiede von 10-15 °C zwischen Hochsommer und tiefem Winter auf. Häufig werden Fließbecher eingesetzt, um die Verdünnung des Materials vor der Verwendung zu steuern. Die Zusammensetzung von Materialmischungen mit derselben Fließzeit im Winter kann sich stark von der im Sommer eingesetzten Mischung unterscheiden, weshalb sich Prozessparameter, Dicke, Abdeckung, Gleichmäßigkeit usw. ebenfalls unterscheiden können. Die beste Möglichkeit zur Bewältigung dieses Problems besteht darin sicherzustellen, dass der Prozess zur Überwachung der Viskosität neben der Fließzeit auch die Messung der Temperatur umfasst.

Problem: Der Einsatz von nicht spezifikationsgemäßen Verdünnungen kann zu Kompatibilitätsproblemen mit Schutzlacken führen.

Ein neuer Kunde berichtete, dass sich das Erscheinungsbild des Schutzlackmaterials von farblos/transparent zu gelblich/trüb veränderte und das Material nach dem Trocknen „runzelig“ und „ausgetrocknet“ aussah. Bei der Untersuchung des Problems stellte sich heraus, dass der Kunde im Bestreben, seine Gesamtprozesskosten zu senken, einen im örtlichen Einzelhandel erworbenen „Lackverdünner“ eingesetzt hatte. Der „Lackverdünner“ war nicht kompatibel mit der Rezeptur des Schutzlacks, worauf zunächst die Bildung einer trüben Lösung sowie das Auftreten von kleinen Löchern hindeuteten, was durch die runzelige Struktur des getrockneten Werkstoffs bestätigt wurde. Tatsächlich konnte beobachtet werden, dass die Lösung innerhalb von 30 Minuten nach dem Mischen zwei Schichten bildete!

Fazit:

Es mag verlockend sein, einfache Lösungen zur Kostensenkung oder Beschleunigung der Produktion zu suchen, jedoch bezahlt man zwangsläufig den Preis dafür. Sie müssen die Einschränkungen und/oder die besonderen Eigenschaften der Materialien kennen, die Sie zum Beschichten elektronischer Baugruppen einsetzen, und die richtigen Verfahren anwenden. Wenn Sie sich nicht sicher sind, können Sie stets die Fachleute von Electrolube fragen, die alles schon einmal gesehen haben und Ihnen die richtigen Hinweise geben können.