Wie Produktionsprobleme „wegkonstruiert“ werden können

Phil Kinner kam als Technical Director für den Bereich Schutzlacke zum Unternehmen Electrolube, das mittlerweile in etwa 55 Ländern weltweit vertreten ist. Phil konnte in der Schutzlackbranche weitreichende Erfahrungen sammeln, verfasst wissenschaftliche Artikel und spricht auf internationalen Foren zu Schlüsselthemen der Industrie. Eine kürzlich von Phil durchgeführte Untersuchung hat zu einer Publikation geführt, die sich mit einer längeren Nutzungsdauer und höheren Beständigkeit der Endprodukte beschäftigt. Phil kam dabei zu dem Schluss, dass ein Schutzlack eine Oberfläche nur dann wirksam schützen kann, wenn er absolut deckend aufgetragen wird. Hohlräume, Blasen und Risse im Lack führen sehr wahrscheinlich zu Korrosion. Erst das Verständnis dieses Aspekts macht die Entwicklung eines zuverlässigen Produkts möglich.

Design-Out-Production-Problems

In diesem Beitrag beschäftigt sich Phil eingehender mit Fragen der Fertigung – insbesondere mit Problemen, die Entwickler bereits in den frühesten Phasen eines Projekts lösen können. Phil gibt dabei Hinweise für die Konstruktion, mit denen Entwickler die herkömmlichsten Probleme bei der Beschichtung mit Schutzlacken umgehen können.

Ich habe in der Beschichtungsbranche bereits einige Jahre an Erfahrung und Wissen sammeln können und ich lerne immer noch dazu. Es gibt dabei produktionstechnische Aspekte, die immer wieder zu Problemen führen, aber bereits in der Entwicklungsphase hätten vermieden werden können. In meinem ersten Beitrag möchte ich diese Aspekte näher erläutern und hoffe, damit bei Entwicklern und Herstellern größeres Verständnis füreinander zu wecken.

Zuallererst möchte ich die verschiedenen chemischen Zusammensetzungen vorstellen und dabei betonen, dass alle erhältlichen Lackierungen Vor- und Nachteile haben. Schutzlacke sind auf Basis von Lösungsmitteln, Wasser und 100 % Aktivmaterial erhältlich. Darüber hinaus gibt es aufgedampfte Lacke, bei denen Monomergase in einem Vakuum gemischt, polymerisiert und als Schutzschicht auf die Oberfläche einer Leiterplatte aufgetragen werden. Die meisten Schutzlacke entsprechen MIL-I-46058C oder erfüllen die Anforderungen der damit eng verbundenen IPC-CC-830B. Des Weiteren können sie in dauerhafte Lacke (in diesem Fall entspricht die Entflammbarkeit UL94V0) und in Schutzlacke eingeteilt werden. In letzterem Fall werden die elektrischen Eigenschaften als Teil der Norm UL746E bewertet.

Damit möchte ich meine kurze Einleitung zu Schutzlacken abschließen. Nachfolgend gebe ich nun fünf wichtige Tipps, die Sie bei der Schutzlackierung Ihrer elektronischen Produkte beachten sollten.

Achtung – nicht alle Lötstopplacke werden gleich hergestellt

Die Haftwirkung von Schutzlacken kann bei Lötstopplacken mit augenscheinlich „gleichen“ Spezifikationen von verschiedenen Herstellern sehr unterschiedlich sein. Dies kann zu Problemen während des Auftragens des Schutzlackes führen. Eine einfache und sehr wirksame Lösung ist dieFestlegung einer Oberflächenenergie von >40 Dyn/cm der eingehenden leeren Leiterplatten. Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Wareneingänge gewissenhaft geprüft und aussortiert werden, wenn sie diese Mindestanforderung nicht erfüllen.

Puffer einplanen

Schutzlacke sind in der Regel flüssig, wenn sie aufgetragen werden, und fließen aufgrund einer Kombination aus Schwerkraft und vorhandener Kapillarität. Beim Maskieren oder wenn ein bestimmter Schutzlack aufgetragen werden soll, wird man Ihnen in der Produktion sehr dankbar sein, wenn mindestens eine Spielraum von 3 mm zu den zu beschichtenden Bereichen eingeplant wurde. Dieser kleine Puffer erleichtert die Maskierung und vermeidet zukünftige Produktionsprobleme.

Je einfacher, desto besser

Wenn möglich sollte das Beschichtungsverfahren bereits bei der Entwicklung vereinfacht werden. Werden möglichst viele Steckverbinder/Anschlüsse und Komponenten, die nicht beschichtet werden sollen, auf einer Seite der Baugruppe angebracht, wird das Beschichtungsverfahren vereinfacht. Dadurch ist eventuell auch eine Tauchlackierung möglich. Außerdem verkürzt sich die Beschichtungszeit und die Kosten können reduziert werden. Können nicht alle Anschlüsse und Komponenten auf einer Seite angeordnet werden, wird das Beschichtungsverfahren dennoch vereinfacht, wenn diese an den Außenbereichen der Leiterplatten ausgerichtet werden.

Der Nachteil einzelner Komponenten

Eine Vielzahl einzelner Komponenten auf der Leiterplatte zu haben stellt aufgrund der hohen Kapillarität eine große Herausforderung bei der Beschichtung dar. Das Ergebnis ist häufig katastrophal: Bereiche mit fehlender Beschichtung und ohne Schutz auf der Leiterplatte oder Bereiche mit einer zu hohen Schichtdicke, die Spannungsrissbildung, Ablösung der Beschichtung und anderen Schäden ausgesetzt sind. Dadurch kommt es zu einem vorzeitigen Ausfall der Baugruppen. Daher sollte dies wenn möglich vermieden werden!

Ist größer immer besser?

Große Komponenten stellen ebenfalls eine Herausforderung dar, da es zu Schatten- und schwer erreichbaren Bereichen kommen kann. Auch das Verspritzen, bei dem der Lack in einen nicht zu beschichtenden Bereich spritzt, kann ein Problem darstellen. Daher sollten große Komponenten nicht in der Nähe zu beschichtender Komponenten oder freizulassender Bereiche montiert werden.

Denken Sie daran: Eine durchdachte Konstruktion zahlt sich am Ende aus – und als Entwickler machen Sie sich unter den Mitarbeitern der Produktion lebenslange Freunde, wenn Sie deren Arbeit nur ein klein wenig erleichtern!